Endlich: Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft!
Am 01. November 2024 tritt das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (Selbstbestimmungsgesetz) in Kraft. Es löst das über 40 Jahre alte und in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz ab. Menschen können ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen zukünftig mit einer Erklärung beim Standesamt ändern.
Dazu erklärt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter):
„Ich bin überglücklich, dass das Selbstbestimmungsgesetz endlich in Kraft tritt. Deutschland reiht sich damit ein in die Gruppe der Länder weltweit, die Menschen eine Korrektur ihres Geschlechtseintrags und Vornamens ermöglichen, ohne sie zu pathologisieren.
Es war ein hartes Stück Arbeit. Die Gesetzgebung war leider begleitet von transfeindlicher Stimmungsmache und einer Menge Fehlinformationen. Ich danke der Ampel-Koalition sehr, dass sie Wort gehalten und das Gesetz im Bundestag verabschiedet hat. Trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen haben sehnsüchtig darauf gewartet, das zeigen auch die hohen Anmeldezahlen bei den Standesämtern.
Jeder Mensch hat das Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit. Dieses Recht wurde transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen jahrzehntelang verweigert und über 40 Jahre lang hat das Transsexuellengesetz viel Leid verursacht. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird diese staatliche Bevormundung und Fremdbestimmung endlich beendet.
Eine Erklärung beim Standesamt reicht nun aus, damit Menschen ihren korrekten Geschlechtseintrag und die richtigen persönlichen Dokumente erhalten. Psychiatrische Zwangsbegutachtung und langwierige, teure Gerichtsverfahren gehören der Vergangenheit an. Das war die zentrale Forderung aus der queeren Community. Denn selbst über sich, seinen Körper und seine Identität zu bestimmen ist das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen. Wir alle wollen so leben, wie wir sind, und uns nicht verstellen müssen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung gehören zu den von unserem Grundgesetz garantierten Rechten.
Der 1. November ist ein wichtiger Tag für die Grund- und Menschenrechte von trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen und auch für eine offene und demokratische Gesellschaft, in der Menschen vom Staat so anerkannt werden, wie sie sind.“
Hintergrund
Ohne die richtigen persönlichen Dokumente ist der Alltag für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen ein Spießrutenlauf, etwa wenn sie ein Paket abholen wollen, mit ihrer EC-Karte bezahlen, Verträge unterzeichnen, eine Wohnung mieten, in den Urlaub fliegen oder sich bewerben. Überall werden sie gegen ihren Willen geoutet. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals geurteilt, dass das bisherige Transsexuellengesetz (TSG) verfassungswidrig ist. Erst 2011 wurden Zwangssterilisationen und Scheidungszwang als Voraussetzungen für eine Änderung des Geschlechtseintrags abgeschafft.
Die Korrektur des Geschlechtseintrags im Personenstandrecht muss mindestens drei Monate vorher beim Standesamt angemeldet werden und ist dann sofort gültig. Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen gilt für eine erneute Änderung grundsätzlich eine Sperrfrist von einem Jahr.
14-17-Jährige benötigen die Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten und müssen erklären, dass sie entsprechend beraten sind. Diese Zustimmung kann durch ein Familiengericht ersetzt werden, wenn die Änderung dem Kindeswohl entspricht. Bei unter 14-Jährigen müssen die gesetzlichen Vertreter*innen die Erklärung abgeben und versichern, entsprechend beraten zu sein.
Das Selbstbestimmungsgesetz regelt nur die Frage der Ausweisdokumente. Mögliche körperliche Maßnahmen wie Hormone oder Operationen werden alleine durch die Betroffenen zusammen mit Ärzt*innen auf der Grundlage fachmedizinischer Leitlinien entschieden.
Mit dem SBGG folgt Deutschland damit 16 weiteren Staaten, die bereits vergleichbare Regelungen zur Verwirklichung der Geschlechtsidentität vorsehen und setzt dahingehende Empfehlungen internationaler Organisationen um, wie etwa dem Europarat oder der EU Kommission.
FAQ zum Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/queerpolitik-und-geschlechtliche-vielfalt/gesetz-ueber-die-selbstbestimmung-in-bezug-auf-den-geschlechtseintrag-sbgg–199332