Anstieg der registrierten Angriffe auf LSBTIQ* ist alarmierend
Heute hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die bundesweiten Fallzahlen für politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2023 vorgestellt. Danach sind die angezeigten und registrierten Fälle von Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) gestiegen.
So wurden im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ 1.499 Straftaten (davon 288 Gewaltdelikte) erfasst. Das ist ein Anstieg von knapp 50% gegenüber dem Vorjahr. Im Unterthemenfeld „geschlechtliche Diversität“ haben sich die gemeldeten Straftaten mit 854 Delikten (davon 115 Gewaltvorfälle) verdoppelt. Diese Zahlen bilden nur die Taten ab, die auch angezeigt und ordentlich registriert werden. Die Dunkelziffer ist bedeutend höher.
Dazu erklärt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter):
„Jede Hasstat ist eine zu viel. Die aktuellen Zahlen zu Hasskriminalität sind alarmierend. Jeden Tag werden im Schnitt mindestens sechs Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) registriert. Bei allen politischen und rechtlichen Fortschritten bleiben LSBTIQ* eine verwundbare Gruppe.
Gezielt geschürter Hass auf Regenbogenflaggen, Kampagnen gegen den Pride-Monat oder tagtägliche Angriffe auf das Selbstbestimmungsgesetz ermutigen Menschen, ihre Vorurteile und ihren Hass auch gewalttätig auszuleben. Es gibt politische Kräfte, die gegen LSBTIQ* mobilisieren, emanzipatorische Erfolge wieder zurücknehmen und eine antidemokratische und autoritäre Gesellschaftsordnung etablieren wollen. In den letzten beiden Jahren gab es einen beachtlichen Anstieg in der Zustimmung zu abwertenden Äußerungen und rechtsextremen Einstellungen. Das merken auch LSBTIQ* in ihrem Alltag.
Der Anstieg der registrieren Fälle bedeutet aber auch, dass mehr Delikte zur Anzeige gebracht werden. Auch ein zunehmendes Bewusstsein bei den Polizeien und Sicherheitsbehörden trägt dazu bei, dass die Fälle als Hasskriminalität eingestuft und verfolgt werden können. Es ist sehr wichtig, dass queere Menschen sich trauen, solche Taten anzuzeigen und nicht stillschweigend hinnehmen. Menschenfeindliche Taten sind kein Kavaliersdelikt.
Ziel der Bundesregierung ist es, Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, LSBTIQ* vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen zu schützen und Opfer besser zu unterstützen. Hasskriminalität muss der Staat entschlossen entgegentreten. Daher haben wir in den Gesetzestext zu Hasskriminalität inzwischen „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Motive ausdrücklich aufgenommen. Das erhöht bei den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden die Sensibilität für LSBTIQ*-feindliche Taten.
Prävention, Erfassung und Bekämpfung queerfeindlicher Hasskriminalität muss flächendeckend ausgebaut werden. Die Innenministerkonferenz (IMK) hat 2023 beschlossen, die Bekämpfung von LSBTIQ*-feindlicher Gewalt kontinuierlich weiter zu verbessern. Hier sind die Empfehlungen des Arbeitskreises Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ an die Innenminister*innen und Innensenator*innen von Bund und Länder umzusetzen und zu berücksichtigen. 2025 soll auf der IMK erneut über den Umsetzungsstand der Handlungsempfehlungen berichtet werden.
Angesichts des gesellschaftlichen Klimas und dem Ziel insbesondere rechtsextremer Akteur*innen, rechtliche Verbesserungen wieder aufzuheben, muss Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ergänzt werden. LSBTIQ* sollten explizit auch durch die Verfassung vor Diskriminierung geschützt sein.
Die Hürden für eine Ergänzung im Grundgesetz sind jedoch hoch: Es braucht eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. SPD, GRÜNE und FDP sind dafür. Wir sind jedoch auch auf die Union angewiesen. Ich weiß, dass viele Abgeordnete der CDU/CSU das Vorhaben unterstützen. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner haben sich bereits für die Ergänzung ausgesprochen. ihrem neuen Grundsatzprogramm hat die CDU auch betont, sich jeglicher Diskriminierung entgegenzustellen. Diesen Vorsatz könnte Friedrich Merz durch die Unterstützung für die Ergänzung von Artikel 3 unter Beweis stellen.“
Hintergrund
Quelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat/ Bundeskriminalamt (2024): Bundesweite Fallzahlen 2023 Politisch motivierte Kriminalität