Strategie der Bundesregierung für eine starke, wehrhafte Demokratie und für eine offene und vielfältige Gesellschaft verabschiedet

23. Mai 2024

Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus: Strategie der Bundesregierung für eine starke, wehrhafte Demokratie und für eine offene und vielfältige Gesellschaft verabschiedet

 

Die Bundesregierung hat in ihrer heutigen Sitzung die Strategie „Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus – Strategie der Bundesregierung für eine starke, wehrhafte Demokratie und für eine offene und vielfältige Gesellschaft“ beschlossen. Damit legt sie erstmals eine gemeinsame und klare Haltung zur wehrhaften Demokratie vor, formuliert strategische Ziele und Handlungsschwerpunkte für eine starke, wehrhafte Demokratie und eine offene und vielfältige Gesellschaft und benennt konkrete Instrumente und Ansätze.

Übergeordnetes strategisches Ziel ist es, die Demokratie von innen heraus zu stärken und demokratiegefährdenden Entwicklungen noch effektiver zu begegnen. Dies beinhaltet auch die Bekämpfung und den Abbau von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie LSBTIQ*-Feindlichkeit.

Dazu erklärt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter):

„LSBTIQ*-Feindlichkeit, Rassismus oder Antisemitismus gefährden unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und haben in unserem demokratischen Gemeinwesen, in unserem gesellschaftlichen Alltag keinen Platz. Durch sie wird das friedliche und respektvolle Zusammenleben in unserem Land in besorgniserregender Art und Weise beschädigt. Diese Phänomene betreffen nicht nur Einzelne, sondern greifen die demokratisch verfasste, offene, pluralistische und freiheitliche Gesellschaft als Ganzes an. Ich begrüße es sehr, dass die Bundesregierung LSBTIQ*-Feindlichkeit in ihrer Strategie für Demokratie und gegen Extremismus ausdrücklich adressiert und als Angriff auf unsere demokratisch verfasste, offene, pluralistische und freiheitliche Gesellschaft als Ganzes anerkennt. Die in der Strategie vereinbarten Ziele müssen nun konsequent verfolgt werden.

Dazu gehört auch die kontinuierliche Umsetzung des im November 2022 beschlossenen bundesweiten Aktionsplan „Queer leben“. Damit hat sich die Bundesregierung auf eine ressortübergreifende Politik für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verpflichtet. Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat Ende 2024 einen Bericht zum Umsetzungsstand des Aktionsplans vorlegen.

Wichtig ist es, Angriffe auf LSBTIQ* nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist die Verbundenheit und Generalisierung von herabwürdigenden Vorurteilen gegenüber unterschiedlichen Gruppen ein gesicherter Befund. LSBTIQ* stehen für ihre Gegner*innen oftmals sinnbildlich für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft, die es zu überwinden gilt. Daher gilt es, die Demokratie insgesamt zu schützen und zu verteidigen. Dazu gehört die Stärkung der Zivilgesellschaft und demokratischen Engagements zum Beispiel durch den Ausbau des Bundesprogramms „Demokratie leben“ und die Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes, aber auch die Sicherung der politischen Bildung und einer LSBTIQ*-inklusiven Extremismusprävention.“

 

Auszüge aus der Strategie mit einem ausdrücklichen Bezug zu LSBTIQ*

Alle Formen des Rassismus (wie insbesondere etwa Antischwarzer Rassismus, Antiasiatischer Rassismus oder Muslimfeindlichkeit), Antisemitismus, Antiziganismus sowie weitere Formengruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie z.B. LSBTIQ*-Feindlichkeit oder Sexismus gefährden unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und haben in unserem demokratischen Gemeinwesen, in unserem gesellschaftlichen Alltag keinen Platz. Durch sie wird das friedliche und respektvolle Zusammenleben in unserem Land in besorgniserregender Art und Weise beschädigt. Diese Phänomene betreffen nicht nur Einzelne, sondern greifen die demokratisch verfasste, offene, pluralistische und freiheitliche Gesellschaft als Ganzes an. (S. 7f.)

Rassismus in all seinen spezifischen Ausformungen (zu denen in Deutschland insbesondere Antischwarzer Rassismus, Antimuslimischer Rassismus und Antiasiatischer Rassismus gehören), Antisemitismus, Antiziganismus, LSBTIQ*-Feindlichkeit, Sexismus sowie andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung betreffen nicht nur einzelne Bevölkerungsgruppen, sie wirken auf die Gesamtgesellschaft. Sie sind damit (auch) essentielle Bedrohungen für unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil für alle Bevölkerungsgruppen gewährleistet sein muss, in Würde und mit gleichen Chancen leben zu können. (S. 11)

Bei allen rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritten bleiben auch Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) eine verwundbare gesellschaftliche Gruppe. Die registrierten Fälle von Hasskriminalität gegen LSBTIQ* steigen in den letzten Jahren stark an. Jeden Tag werden in Deutschland Menschen angegriffen, bloß weil sie lieben wie sie lieben oder sind wie sie sind.

Rechtsextremisten agitieren in den letzten Jahren immer offener und aggressiver gegen die Liberalisierung des öffentlichen Diskurses hinsichtlich unterschiedlicher sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identität sowie gleichgeschlechtlicher Partnerschafts- und Familienmodelle. Die Ablehnung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt moderner demokratischer Gesellschaften ist fester Bestandteil aller islamistischen Ideologien. LSBTIQ* wird die Gleichwertigkeit aberkannt. Sie stehen oftmals sinnbildlich für eine zu überwindende demokratische und freiheitliche Gesellschaft. Gesellschaftliche Vielfalt wird nicht anerkannt und respektiert, sondern abgelehnt. Diese zunehmende Mobilisierung gegen LSBTIQ* ist folglich oftmals eingebettet in autoritäre, rechtspopulistische, religiös-fundamentalistische und nationalistische Vorstellungen von Staat und Gesellschaft. Sie zielen immer auch auf den Abbau von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung insgesamt ab. (S. 12f)

 

Wir wollen erreichen, dass jeder Mensch diskriminierungs- und vorurteilsfrei akzeptiert und gleichbehandelt wird. Dazu gehen wir mit gutem Beispiel voran, denn jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, LSBTIQ*-Feindlichkeit und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung schwächt unser demokratisches Miteinander und unser Gemeinwohl. Für das Vertrauen in staatliche Institutionen ist es essentiell, dass von vorhandenen rechtlichen Regelungen zum Schutz vor Rassismus und Diskriminierung umfassend Gebrauch gemacht wird und Schutzlücken geschlossen werden. Hierzu gehört auch, in den staatlichen Institutionen das Bewusstsein für diskriminierendes Verhalten weiterhin zu schärfen. Demokratische zivilgesellschaftliche Strukturen wollen wir zudem weiter fördern. (S. 15)

Das vielfältige demokratische und bürgerschaftliche Engagement für das Gemeinwohl in unserem Land ist besonders wertvoll. Denn: Eine lebendige, vielfältige und inklusive Zivilgesellschaft ist widerstandsfähig – auch in Veränderungsprozessen und Konflikten. Sie lebt davon, dass alle in unserem Land lebenden Menschen, unabhängig von Herkunft, Glaube oder sexueller Orientierung, gleichberechtigt teilhaben können. Aus diesem Grund möchten wir die Engagierten so gut wie möglich unterstützen und schützen, damit sie ihr Engagement fortsetzen. (S. 15f)

Im November 2022 hat das Kabinett den bundesweiten Aktionsplan „Queer leben“ beschlossen. Darin wird anerkannt, dass Gewalttaten, Übergriffe und Anfeindungen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) im öffentlichen und privaten Raum keine Seltenheit sind. Ebenso wird anerkannt, dass LSBTIQ* im Internet und den sozialen Medien oft Hass ausgesetzt sind. Das Ziel ist, Diskriminierungen und LSBTIQ*-Feindlichkeit entgegenzuwirken und die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu fördern. (S. 18)

Mit dem Amt des Antiziganismusbeauftragten wurde zudem eine zentrale Empfehlung der Unabhängigen Kommission Antiziganismus umgesetzt. Der Antisemitismusbeauftragte wurde strukturell gestärkt und die Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sichergestellt, indem ihre Leitung, die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, vom Bundestag gewählt wurde. Zudem wurde durch das Kabinett die Einrichtung des Amtes einer/eines Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragte/r) beschlossen. (S. 19)

 

Die Grundlage für den Abbau von Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit sowie gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung einschließlich LSBTIQ*-Feindlichkeit ist eine umfassende und verlässliche Forschungs- und Datenlage. Partizipative Ansätze in der Forschung können einen Beitrag dazu leisten, relevante Forschungsfragen besser zu identifizieren, Betroffene besser zu erreichen und praxisnahe Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. (S. 31)

 

(Migranten-) Selbstorganisationen und Diasporaorganisationen sowie betroffene Communities sind für den Abbau von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie LSBTIQ*-Feindlichkeit zentrale Akteure. Einerseits weil sie über die fachliche Expertise verfügen, entsprechende Maßnahmen zu gestalten und umzusetzen und andererseits auch das Vertrauen der Betroffenen und die Zugänge zu ihnen besitzen. (S. 32f.)

 

Bei der der Aus-, Fort- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst legt die Bundesregierung auch einen besonderen Fokus auf die Sensibilisierung und Professionalisierung der Beschäftigten im Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie zum Beispiel LSBTIQ*-Feindlichkeit sowie Diskriminierung über alle Laufbahngruppen hinweg. (S. 34)

 

Link zur Gesamtstrategie:

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/ministerium/BMI24021.pdf;jsessionid=545987E1BE004F7ADF4EF33BCE662EFA.live862?__blob=publicationFile&v=4