Weniger Kulturkampf, mehr Kampf für die Kultur!
Zu den ersten 100 Tagen von Wolfram Weimer im Amt als Kulturstaatsminister erklärt Sven Lehmann MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien:
Wir brauchen weniger Kulturkampf und mehr Kampf für die Kultur. Kulturstaatsminister Weimer war in seinen ersten 100 Tagen im Amt medial sehr präsent, leider aber meistens als Kulturkämpfer und deutlich zu wenig als Anwalt der Kulturschaffenden. Die politische Schonfrist ist nun vorbei. Jetzt muss er beweisen, dass er nicht nur Debatten lostreten, sondern auch liefern kann. Folgen auf seine zahlreichen Vorstöße keine konkreten Ergebnisse, könnte er zum Ankündigungsminister werden. Schon bei der Digitalabgabe wurde er von Wirtschaftsministerin Reiche und CDU/CSU-Fraktionschef Spahn ausgebremst.
Die Kulturbranche in Deutschland braucht keinen Ankündigungsminister, sondern einen verlässlichen, durchsetzungsstarken Partner in der Bundesregierung. Gerade die Filmbranche wartet auf Ergebnisse. Die im Haushalt 2026 vorgesehenen neuen Mittel werden nur dann wirksam, wenn echte Investitionsverpflichtungen eingeführt werden. Die Branche braucht zudem endlich eine langfristige Perspektive – ein tragfähiges Steueranreizmodell, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Dass dies nun offenbar nicht mehr geplant ist, ist ein Rückschlag.
Staatsminister Weimer unterschätzt leider die Rolle der Kinos. Sie sind Orte gesellschaftlicher Teilhabe, kultureller Bildung und Vielfalt, die vor einem enormen Investitionsbedarf stehen. Ohne schnelle politische Unterstützung droht in den kommenden Jahren ein Kinosterben mit drastischen Folgen für den Filmstandort Deutschland.
Der Haushaltsentwurf 2026 zeigt deutlich, wohin die Reise unter Weimer geht. Der erfolgreiche KulturPass wird schrittweise ausgetrocknet, der Festivalförderfonds zusammengestrichen und der Green-Culture-Anlaufstelle Mittel entzogen. Damit schwächt Weimer nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern stellt sich auch gegen dringend nötige Impulse für mehr Nachhaltigkeit im Kulturbereich.
Besorgniserregend ist auch, dass viele seiner Impulse in der Koalition keine Rückendeckung finden. Die Digitalabgabe, ein überfälliges Instrument zur Stärkung der Kultur- und Medienlandschaft, wurde bereits im Frühstadium von Wirtschaftsministerin Reiche und Fraktionschef Spahn zerschossen. Wer als Minister erfolgreich sein will, muss auch Mehrheiten in den eigenen Reihen organisieren.
Kulturstaatsminister Weimer fordert immer wieder, dass die Kultur Freiheit brauche, übersieht aber, dass Freiheit auch Förderung braucht. Das unterscheidet unser Verständnis von Kultur von der rein marktorientierten Logik im anglo-amerikanischen Raum, auf die Weimer sich gerne bezieht. Gerade die freie Szene braucht Planungssicherheit statt Kürzungen, die ihre Existenz unmittelbar gefährden. Was einmal gestrichen ist, kommt nicht zurück.
Jetzt ist es an der Zeit, dass der Kulturstaatsminister liefert: Weniger PR, mehr politisches Handwerk. Weniger Blick nach Kalifornien, mehr Engagement für Kassel, Köln und Chemnitz. Die Türen des Kanzleramtes müssen offenstehen: für alle Kulturschaffenden, nicht nur für CEOs und Chefredakteure.
Kulturstaatsminister Weimer muss in den nächsten 100 Tagen zeigen, dass seine Kulturpolitik mehr ist als eine PR-Bühne. Die Kultur- und Medienlandschaft braucht keine schöne Verpackung, sondern verlässliche Förderung und Substanz.“